Hier finden Sie Informationen zu aktuellen BGM Themen.
Grundsätzlich ist es jedem Unternehmen durch den 500 € Paragraphen ermöglicht, pro Jahr und MitarbeiterIn einen Freibetrag von 500 Euro steuerfrei zusätzlich zum Lohn/Gehalt zur betrieblichen Gesundheitsförderung zu beantragen. Die Maßnahmen müssen aber mit denen aus §20/20a des fünften Sozialgesetzbuches übereinstimmen.
Die folgenden Gesetzestexte sind hierfür relevant:
- 3, 34 EStG (http://www.gesetze-im-internet.de/estg/__3.html)
- 20 SGB V (https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/20.html)
- 20a SGB V (https://www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/20a.html)
- Der Öffentliche Dienst ist der größte Arbeitgeber Deutschlands
- Heterogenität bzgl. Arbeitsfeldern und Arbeitsplätzen (ÖPNV, Sparkassen, Krankenhäuser…)
- Große, genauso wie kleine und kleinste Dienststellen
- Sehr unterschiedliche Strukturen, Hierarchien und Ressourcen
Daraus wird deutlich, dass sich keine Pauschallösungen für Unternehmen im öffentlichen Dienst entwickeln lassen. Die Herausforderung liegt darin, individuelle Lösungen zu entwickeln und diese gewinnbringend bei den Arbeitgebern zu integrieren.
Der dringende Bedarf für ein BGM im Öffentlichen Dienst wird aus verschiedenen Faktoren deutlich:
- Hohe krankheitsbedingte Fehlzeiten (Öffentlicher Dienst Brandenburg, 2012)*
- Krankenstand rund 6.4%
- Rund 2.343 Fehltage je 100 Beschäftigte
- Rund 13 Fehltage je Krankheitsfall
- Arbeitsunfähigkeits-Quote von rund 65%
- Nahezu alle Bereiche des Öffentlichen Dienst befinden sich seit einigen Jahren in tiefgreifenden Umstrukturierungsprozessen
- Arbeitsverdichtung aufgrund neuer Aufgaben, Technologien und Arbeitsabläufe
- Verringerung physischer Belastungen aber gleichzeitiger Anstieg von psychischen Belastungen durch Rationalisierungsprozesse
- Besondere Herausforderung für ältere Beschäftigte bei zunehmenden Durchschnittsalter der Belegschaft
Diese Herausforderungen machen deutlich, dass BGM ein wichtiges Managementinstrument für den Öffentlichen Dienst ist und dass es individueller Lösungen bedarf um BGM effektiv einzusetzen. Bei der Entwicklung und Umsetzung von maßgeschneiderten Lösungen möchten wir Sie mit dem Erfahrungswissen des EO Instituts gerne unterstützen.
*Quellen: Fehlzeitenreport 2013, BMAS, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
Psychische Belastungen bei der Arbeit haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Psychische Erkrankungen sind mittlerweile die Hauptursache für Frühverrentungen.
Was sind psychische Belastungen und welche Folgen können sie haben?
Der Arbeitsschutz hat traditionell eher physische Belastungen im Blick. In der modernen Arbeitswelt bestimmen jedoch zunehmend psychische Belastungen wie hoher Zeit-, Termin- und Leistungsdruck, eine hohe Arbeitsintensität und häufige Arbeitsunterbrechungen den Arbeitsalltag. Mit einer Gefährdungsbeurteilung lassen sich die psychischen Belastungen ermitteln.
Psychische Belastungen bei der Arbeit lassen sich gemäß der Leitlinie der Nationalen Arbeitsschutzkonferenz vier Bereichen zuordnen:
Diese Bereiche umfassen folgende Faktoren:
Merkmalsbereich Arbeitsinhalt/Arbeitsaufgabe
Vollständigkeit der Aufgabe
- Tätigkeitsumfang (sowohl vorbereitende als auch ausführende Arbeitsschritte und Sichtbarkeit des Arbeitsergebnisses)
- Abwechslung zwischen Routinetätigkeiten und Tätigkeiten mit höheren Denkanforderungen (ideal: geistig anspruchsvolle Aufgaben und Routinetätigkeiten im Wechsel).
Handlungsspielraum
- Möglichkeiten für selbständige Entscheidungen und selbständiges Handeln.
- Zeitliche Freiheitsgrade: Es können die zeitliche Abfolge und Dauer von Tätigkeiten selbst bestimmt werden.
- Inhaltliche Freiheitsgrade: Es können Arbeitsweise und ggfs. die Arbeitsmittel und -methoden selbst bestimmt werden.
Variabilität
- Vielfalt der Aufgaben und Anforderungen
- Möglichkeit, verschiedene Fähigkeiten einzubringen
Information
- Verfügbarkeit, Darstellung und Verständlichkeit von Informationen
- Transparenz der Informationsflüsse und Menge an Informationen, die verarbeitet werden müssen
Verantwortung
- Verhältnis von Verantwortungsumfang und Qualifikation
- Transparenz und Klarheit von Verantwortlichkeiten, Kompetenzen, Rollen
- Klarheit von Weisungsbefugnissen
Qualifikation
- Verhältnis von Tätigkeiten und Qualifikation (Über-/Unterforderung)
- Einweisung/Einarbeitung in die Tätigkeit
- Schulungen/Fortbildungen
Emotionale Inanspruchnahme
- Den Bedürfnisse und Interessen und verbalen sowie nonverbalen Äußerungen von Kunden, Klienten oder Patienten ausgesetzt sein (Umgang mit emotional belastenden Situationen (Krankheit, Tod, Leid) ohne Unterstützungsmöglichkeiten oder Bedrohung durch verbale oder körperliche Gewalt).
- Die Notwendigkeit bestimmte Emotionen zu zeigen, die im Widerspruch zu den eigenen Gefühlen stehen (Arbeitsauftrag enthält Anweisungen, welche Gefühle zu zeigen sind).
Merkmalsbereich Arbeitsorganisation
Arbeitszeit
- zeitliche Dauer der Arbeit, Pausen- und Erholungszeiten
- Verteilung der Arbeitszeit (z.B. Schichtarbeit, Rufbereitschaft)
- Einfluss auf Arbeitszeitgestaltung
Arbeitsintensität
- Menge der geforderten Arbeit in Zusammenhang mit der dafür zur Verfügung stehenden Zeit
- Komplexität der geforderten Arbeit in Zusammenhang mit der dafür zur Verfügung stehenden Zeit
- Vorlaufzeit bei zusätzlichen Aufgaben
Störungen/Unterbrechungen
- Störungen (Häufigkeit und Störungsausmaß)
- Unvorhergesehene Unterbrechungen (z.B. durch Kollegen, Vorgesetzte, fehlende Informationen)
- Nachvollziehbarkeit von Unterbrechungen
Kommunikation/Kooperation
- Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeiten (Dauer, Anzahl der Kommunikationspartner)
- Art der Kommunikation (direkt oder indirekt bzw. virtuell)
- Verteilung von Aufgaben und Rollen im Team
Merkmalsbereich Soziale Beziehungen
Kollegen
- Unterstützung bei Problemen/Schwierigkeiten während der Arbeit
- Wechselseitiges Vertrauen, gegenseitige Wertschätzung
- Stimmung unter Kollegen (Konflikte und Streitigkeiten)
Vorgesetzte
- Erreichbarkeit
- Unterstützung bei Problemen/Schwierigkeiten während der Arbeit
- Regelmäßige Rückmeldung (Kritik, Anerkennung für erbrachte Leistungen)
- Einbezug von Mitarbeitern (Umgang mit Anregungen, Kritik; Entscheidungswege)
- Vertrauen zum Vorgesetzten
Merkmalsbereich Arbeitsumgebung
Physikalische und chemische Faktoren
- Beleuchtung, Klima, Lärm, feste, flüssige oder gasförmige (Gefahr-)Stoffe
Physische Faktoren
- Ergonomische Gestaltung der Arbeit und die physische Belastung bei der Arbeit
Arbeitsplatz- und Informationsgestaltung
- Räumliche Arbeitsverhältnisse (z.B. Arbeitshöhe, Bewegungsfreiheit, Anordnung von Arbeitsmitteln und –möbeln, Darstellung von Informationen)
Arbeitsmittel
- Geeignetes Werkzeug bzw. geeignete Geräte
- Bedienung und Einrichtung von Geräten
- Softwaregestaltung
Was ist Präsentismus?
In Deutschland haben sich Fehlzeiten der Arbeitnehmer seit der Einführung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall 1970 von 5,6 % auf 3,6 % reduziert. Dies ist aber nur in Teilen auf eine Reduktion des tatsächlichen Krankenstandes der Mitarbeiter zurückzuführen. Untersuchungen zufolge sind Beschäftigte heutzutage nicht gesünder als damals, sondern gehen häufiger krank zur Arbeit. In einer Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK gaben über 70 % der Befragten an, in den letzten Monaten krank zur Arbeit gegangen zu sein.
Definition
Präsentismus wird definiert, entweder als
- Verhalten von Mitarbeitern trotz Krankheit zur Arbeit zu gehen (vorrangige Definition in Deutschland), oder
- Einbußen der Arbeitsproduktivität durch gesundheitliche Beschwerden – vor allem chronische Erkrankungen (Ansatz aus den USA) .
Präsentismus bezeichnet das Verhalten von Beschäftigten gegen den ausdrücklichen Rat des Arztes zur Arbeit zu gehen. Ein solches Verhalten kann auf Dauer die Gesundheit schädigen und zur Chronifizierung von Krankheiten führen. Durch das Erscheinen am Arbeitsplatz mit Infektionskrankheiten besteht zudem die Gefahr, dass weitere Mitarbeiter erkranken.
Warum kommen Mitarbeiter krank zur Arbeit? (Gesundheitsmonitor 2009)
- Pflichtgefühl und weil sonst Arbeit liegenbleibt 66%
- Rücksicht auf Kollegen 46%
- Angst vor Arbeitsplatzverlust 25%
- Berufliche Nachteile 25%
Welche Folgen hat Präsentismus?
Folgen von Präsentismus für die Gesundheit
Neben den Einschränkungen der Arbeitsproduktivität wurden Konsequenzen für die langfristige Gesundheit von Beschäftigten, Auswirkungen auf späteren Absentismus, aber auch – unter bestimmten Umständen – heilsame Effekte von Präsentismus ermittelt.
Folgen von Präsentismus für die Gesundheit
- Erhöhtes Risiko eine schwere Herz-Kreislauf-Erkrankung zu erleiden
- Langfristige Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustands
Absentismus als Folge von Präsentismus
- Mehrmaliges Arbeiten trotz einer Erkrankung erhöht das Risiko, zu einem späteren Zeitpunkt für längere Zeit krankheitsbedingt zu fehlen.
- „Präsentisten“ haben gegenüber „Nicht-Präsentisten“ ein um 53% erhöhtes Risiko einer späteren Arbeitsunfähigkeit von mehr als zwei Wochen und ein um 74% erhöhtes Risiko für eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als zwei Monaten
Positive Wirkung von Präsentismus
- In manchen Fällen hat das Arbeiten mit einer Erkrankung auch positive Effekte auf die Gesundheit der Mitarbeiter. Allerdings hängt dies stark von den Arbeitsbedingungen und der Erkrankung ab. Beispielweise bestehen für manche psychische Erkrankungen oder chronische Schmerzen bereits
medizinische Leitlinien, die eine Weiterführung der Arbeitstätigkeit vorschreiben.
Kosten von Präsentismus
In verschiedenen Studien wurden die Kosten von Präsentismus für das Unternehmen untersucht. Diese beziehen sich ausschließlich auf Präsentismus als krankheitsbedingte Einschränkung der Arbeitsproduktivität.
Folgende Tabelle zeigt eine Übersicht der durch Präsentismus entstandenen Kosten einzelner Krankheiten im Vergleich zu den gesamten Gesundheitsausgaben aus den USA.
Anhand der Zahlen wird deutlich, dass der durch Präsentismus bedingte Produktivitätsverlust für alle Krankheiten höher ausfällt, als der durch Absentismus.
Kosten psychischer Krankheiten
Psychische Erkrankungen zählen zu den „teuersten“ Erkrankungen. Die häufig eingeschränkte oder fehlende Akzeptanz von psychischen Erkrankungen im Umfeld der Betroffenen führt zudem dazu, dass die Betroffenen wegen dieser Erkrankungen der Arbeit nicht bzw. nur ungern fernbleiben.
Aus Deutschland gibt es bisher nur wenige konkrete Daten zu den durch Präsentismus verursachten Kosten. Eine kurze Zusammenfassung bietet folgende Übersicht.
Daten zu Präsentismus aus Deutschland
- 12% der Gesamtproduktivität von Unternehmen gehen aufgrund von
Gesundheitsproblemen verloren. Davon entfällt doppelt so viel auf Präsentismus wie auf Absentismus. - Pro Mitarbeiter verlieren Unternehmen 27 Tage im Jahr durch Präsentismus.
- Es besteht ein Verhältnis von Absentismus zu Präsentismus von 35% zu 65%.
IGA-Barometer 2007:- 27 % der Befragten gaben an, zum Zeitpunkt der Befragung unter einem gesundheitlichen Problem zu leiden. Von diesen Befragten gaben 15 % an, in den vergangen sieben Tagen krankheitsbedingt gefehlt zu haben; 59 % dieser Befragten gaben, aufgrund des gesundheitlichen Problems in ihrer Produktivität eingeschränkt zu sein.
Welche Faktoren sind wichtig im Hinblick auf Präsentismus?
Einflussfaktoren von Präsentismus
Verschieden Faktoren wurden ermittelt, die im Zusammenhang mit Präsentismus stehen. Grob lassen sich diese in Faktoren auf Mitarbeiterebene und auf Unternehmensebene unterscheiden.
Wie kann man Präsentismus messen?
Je nachdem welche Definition vorausgesetzt wird, gibt es verschiedene Instrumente zur Erfassung von Präsentismus. Einige Beispiele werden im Folgenden erläutert.
Messung Definition 1: Das Verhalten von Mitarbeitern, trotz Krankheit zur Arbeit zu gehen. Die meisten vorhandenen Instrumente zur Messung des Verhaltens von Mitarbeitern, trotz Krankheit zur Arbeit zu gehen, beruhen auf Selbsteinschätzungen der Mitarbeiter.
DGB-Index 2009. Items zur Erfassung von Präsentismus
„Wie oft ist es bei Ihnen in den letzten 12 Monaten vorgekommen, dass Sie…
(Antwortkategorien: nie/einmal/zweimal oder öfters)
- …krank zur Arbeit gegangen sind?
- …gegen den ärztlichen Rat der Arbeit nachgegangen sind?
- …zur Genesung bis zum Wochenende durchgehalten haben?
- …sich Medikamente verschreiben ließen, um fit für die Arbeit zu sein?
- …zur Genesung Urlaub genommen haben?
Messung Definition 2: Einbußen der Arbeitsproduktivität, durch gesundheitliche Beschwerden – vor allem chronische Erkrankungen
Zur Erfassung von Präsentismus als Einbußen der Arbeitsproduktivität in Folge gesundheitlicher Beschwerden, liegen verschiedene Messverfahren vor (siehe folgender Kasten).
Krankheitsbedingter Produktivitätsverlust
Objektive Daten
- Arbeitsmedizinische Daten
- Objektive Daten zur Leistung der Mitarbeiter (verfügbar, wenn Teile der Entlohnung leistungsbezogen erfolgen, wie z.B. bei Banken, Versicherungen).
Selbsteinschätzungen (Befragungsinstrumente; Auswahl) - z.B. Stanford Presenteeism Scale (SPS) – inklusive Auswertungshinweisen online frei zugänglich.
Übersicht Instrumente (Auswahl)
Wie kann man als Unternehmen mit Präsentismus umgehen?
Hauptziel der Präsentismusprävention ist es, die Gesundheit der Beschäftigten zu verbessern.
Gesundheitskompetenz verbessern, Einsichten fördern, Verhalten beeinflussen
- Ziel: Die Beschäftigten dabei unterstützen, gesundheitsbewusste Entscheidungen treffen zu können.
- Maßnahmen: Vermittlung von Gesundheitswissen durch Gesundheitscoachings, Achtsamkeits- und Stressbewältigungsseminare.
Beschäftigte wertschätzen und vertrauensbildende Maßnahmen ergreifen
- Ziel: Unternehmenskultur, in der Vertrauen und Gesundheit auch Unternehmensziele sind.
- Maßnahmen: Umgang mit Krankheit, Gesundheit und Fehlzeiten im Unternehmen sollte darauf zielen, berufliche Nachteile durch Krankmeldungen zu vermeiden; BEM-Gespräche sollten nicht der Einschüchterung von „Blaumachern“ dienen, sondern einen konstruktiven
Prozess einleiten, der darauf abzielt, die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beschäftigten durch gezielte Interventionen wiederherzustellen
Führungskräfte sensibilisieren und Vertrauen schaffen
- Ziel: Mitarbeiterorientierte Führungskultur etablieren, um nachhaltigen Umgang mit der Mitarbeitergesundheit zu garantieren.
- Maßnahmen: Schulung von Führungskräften zum Thema Präsentismus und Vorbildfunktion der Führungskräften (bei Krankheit zu Hause bleiben); Sanktionierungen von Krankmeldungen vermeiden
Gesundheit fördern und Leistungsfähigkeit erhalten
- Ziel: Mit Betrieblichem Gesundheitsmanagement sowohl Absentismus als auch Präsentismus verringern.
- Maßnahmen: Integration des Ziels Gesundheit in den Handlungsfeldern
Unternehmenskultur, Personal- und Organisationsentwicklung und Arbeitssicherheit
Fazit: Eine Unternehmenskultur, in der die Mitarbeitergesundheit als Voraussetzung für das Erreichen aller Unternehmensziele angesehen wird, ist die beste Präsentismusprävention.
Weiterführende Literatur
BAuA (2011). Präsentismus: Ein Review zum Stand der Forschung. Frei verfügbar unter: www.baua.de
Iga fakten (2013). Präsentismus: Verlust von Gesundheit und Produktivität. Frei verfügbar unter: www.iga-info.de